Der andere Blickwinkel
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Richtig Gendern

Humanisten bemühen sich niemanden zu verletzen oder zu diskriminieren, auch nicht durch ihre Sprache. Darum machen sie sich Gedanken darüber, wie Personen jeden Geschlechts bzw. Genders richtig angesprochen werden sollen: wenn Jeder gemeint ist, soll sich auch Jeder gemeint fühlen!

Da der Unterschied zwischen Männern und Frauen oft sehr deutlich zu sehen ist und von den meisten Menschen auch als wichtig angesehen wird, sind in der Vergangenheit Formen entstanden, Männer und Frauen als Gruppen sprachlich trennen zu können; in vielen Fällen sollen aber alle Menschen angesprochen werden - auch die, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Dafür wird eine passende sprachliche Form benötigt, die niemanden ausschließt. So zu sprechen, dass niemand ausgeschlossen wird, wird heute 'Gendern' genannt. Gendern bedeutet alle Menschen, unabhängig vom gefühlten Geschlecht, anzusprechen ohne jemanden auszuschließen oder zu verletzen.

Da Sprache letztlich nur ein System von Vereinbarungen über Regeln sowie die Abbildung von Sprachsymbolen - meist Wörtern - auf Bedeutungen ist, gilt es also, die richtigen Symbole und Regeln zu benutzen, die jeden meinen und niemanden verletzen. Um richtig zu gendern braucht man also die richtigen sprachlichen Vereinbarungen - und diese müssen allseits bekannt sein.

Wie kann man Gendern?

Um alle Gender anzusprechen gibt es verschiedene Varianten, die am Beispiel der Lehrer erklärt werden sollen. Um z.B. mitzuteilen, dass an einer bestimmten Schule insgesamt 50 männliche, weibliche und diverse Lehrkräfte beschäftigt sind, kann man sagen oder schreiben:

1. 'An dieser Schule sind 50 Lehrer beschäftigt' - 'Lehrer' ist hier das sogenannte Generische Maskulinum, das dafür bestimmt ist sämtliche 'Geschlechter' - heute spricht man von 'Gendern' - zu bezeichnen und so JEDEN anzusprechen. Das Generische Maskulinum zu benutzen wird üblicherweise nicht als gendern bezeichnet, weil es die Standardform ist - tatsächlich ist es aber die Standardform zu Gendern.
Das Wort 'Lehrer' kann übrigens auch das Maskulinum sein und nur männliche Lehrer meinen, das Wort-Symbol hat also eine doppelte Bedeutung. Bei Wörtern mit mehrfacher Bedeutung wie z.B. 'Tau', das für ein Seil oder aber feuchten Niederschlag stehen kann, ergibt sich die Bedeutung aus dem Zusammenhang.
2. 'An dieser Schule sind 50 Lehrende beschäftigt' - 'Lehrende' ist das Partizip zu 'lehren' und meint Personen, die aktiv unterrichten und lehren. Dabei wird überhaupt keine Aussage zum Gender der lehrenden Personen gemacht. Kranke oder Lehrer im Urlaub werden aber ausgeschlossen, da sie zur Zeit ja nicht unterrichten.
3. 'An dieser Schule sind 50 Lehrer und Lehrerinnen beschäftigt' - Hier werden männliche und weibliche Lehrkräfte genannt, diverse Lehrkräfte sind aber ausgeschlossen. Das ist das generelle Problem von Aufzählungen: sie sind meist nicht vollständig und können kompliziert sein. Darum gibt es in dem Begriff LGBTQ2S+ das Plus, das für alle die bestimmt ist, an die man noch nicht gedacht hat - haarsträubend.
4a. 'An dieser Schule sind 50 LehrerInnen beschäftigt' - diese und die folgenden Varianten sind erfunden worden, um JEDEN anzusprechen.
4b. 'An dieser Schule sind 50 Lehrer:innen beschäftigt'
4c. 'An dieser Schule sind 50 Lehrer*innen beschäftigt'
4d. 'An dieser Schule sind 50 Lehrer_Innen beschäftigt'
4e. 'An dieser Schule sind 50 LehrX beschäftigt'

Während die Varianten 1 - 3 seit jeher Teil der Deutschen Sprache sind, sprengen die weiteren Formen zu Gendern (4a - 4e) das sprachliche Regelwerk und werden darum als 'disruptiv' bezeichnet. Sie sollen aber alle Personen ohne Berücksichtigung ihres Genders ansprechen. Ist disruptives gendern also erforderlich, um niemanden zu diskriminieren? Und verletzt es niemanden?

Studien

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass manche Menschen manche Begriffe im Generischen Maskulinum in manchen Situationen nicht so verstehen, wie sie gemeint sind, nämlich umfassend und gender-neutral - das kann man für diskriminierend halten und es sollte möglichst nicht vorkommen. Aber wohlgemerkt: das Generische Maskulinum wird üblicherweise schon richtig verstanden - nur nicht in jeder Situation. So wurde z.B. gezeigt, dass manche Mädchen sich weniger zutrauen Astronaut zu werden, als Astronautin. Es gibt also bestimmte Situationen, in denen das Generische Maskulinum nicht von jedem automatisch umfassend verstanden wird. Als Lösung werden andere Gender-Varianten (2 - 4e) vorgeschlagen. Lösen sie die Probleme?

Wird z.B. disruptives Gendern besser verstanden? Ist beispielsweise 'Kinder*Innen' besser geeignet, alle Kinder anzusprechen? Sicher nicht, bei 'Kinder' käme niemand auf die Idee, manche Gender wären ausgeschlossen. Ist das bei 'Lehrer' oder 'Schüler' anders? Stellen wir uns vor, alle Schüler einer Schule stehen nach einem Bombenalarm auf dem Sammelplatz. Es kommt die Anweisung: "Alle Schüler treffen sich bei ihren Klassenlehrern." Bleiben alle nicht-männlichen Schüler zurück? Geht kein Schüler zu einer nicht-männlichen Lehrkraft? Natürlich nicht, der Satz wird von jedem verstanden, jeder Schüler geht zu seinem Klassenlehrer, auch die queeren zu ihren Lehrerinnen. Wird dagegen ein undeutliches "Alle Schüler*Innen gehen zu ihren Lehrer*Innen" gerufen, kann es vorkommen, dass 'Schülerinnen' und 'Lehrerinnen' verstanden wird und einige Jungen sich nicht angesprochen fühlen - darum sprechen manche Personen besonders undeutlich, damit nur die weibliche Form verstanden wird, denn es geht nicht jedem um Diskriminierungsfreiheit, manchen geht es beim Gendern auch um Diskriminierung: 'Gerechtigkeit' ist für viele toxisch Gendernde nur die Rechtfertigung für die Diskriminierung Andersdenkender - und ist somit eine Lüge.

Keine Studie hat jemals nachgewiesen, dass Kinder oder Erwachsene das Generische Maskulinum nicht richtig verstehen, nachdem man es ihnen zuvor erklärt hatte. Und keine Studie hat jemals nachgewiesen, dass Kinder bei einem disruptiven 'Chef*In' auch an lesbische Transmänner denken, wenn man es ihnen nicht zuvor erklärt hat. Disruptives Gendern ist so lange nicht inklusiv, bis man es explizit erklärt hat. Verständlichkeit erfordert, dass die Vereinbarungen jedem bekannt sind: es kommt primär nicht auf die Vereinbarung an sondern auf deren Bekanntheit!

Wegen solcher Studien werden disruptive Gendern-Varianten gefordert und benutzt.

Was ist das Ziel?

Das Ziel muss sein, alle Personengruppen gleich welchen Genders zu erreichen, niemanden zu übersehen oder auszuschließen und niemanden zu verletzen. Grundbedingung dafür ist in jedem Fall, dass die sprachliche Vereinbarung allgemein bekannt ist. Nun wird Sprache überwiegend im Gebraucht gelernt, wodurch die erlebte Realität mitgelernt wird - wer nur männliche Bauarbeiter kennt, wird beim Generischen Maskulinum 'Bauarbeiter' nicht an Bauarbeiterinnen denken, auch wenn er die Möglichkeit nicht leugnen würde. Aber ändert sich die Umwelt, ändert sich auch die Bedeutung von Worten: da braucht man keine neuen Worte, das passt sich mit der Zeit von selbst an. Darüber hinausgehendes Sprachwissen muss darum explizit gelehrt werden, von Eltern und Schulen - und das trifft auf das disruptive Gendern in höherem Maße zu als auf den Gebrauch des Generischen Maskulinums.

Wer sich mit disruptiven Formen des Genderns anfreunden kann weiß, dass Sprache Vereinbarungen über die Bedeutung sprachlicher Symbole - z.B. den Asterix '*' - erfordert und dass diese Vereinbarungen möglichst weit verbreitet werden müssen, um ein allgemeines Verständnis von Sprache zu ermöglichen. Wer das anerkennt muss sich fragen, warum nicht der richtige Gebrauch des Generischen Maskulinums verbreitet wird sondern eine Konstruktion, die viel Widerstand hervorruft. Ziele sollen immer auf dem kürzesten Weg mit dem geringsten Widerstand erreicht werden, nur so können sich die Wege dahin durchsetzen; Umwege verlieren sich mit der Zeit.

Wie inklusiv Sprache ist, ist also immer eine Frage der Einigung aller auf bestimmte Vereinbarungen - disruptives Gendern ist also nicht automatisch inklusiv nur weil das so gewollt ist, genauso wenig wie das Generische Maskulinum. Sprache muss akzeptiert werden; wird sie überwiegend abgelehnt, ist sie ausschließend und diskriminiernd.

Aber kann sich jemand vom Generischen Maskulinum angegriffen oder verletzt fühlen? Natürlich kann sich jeder der das will, von allem möglichen angegriffen und verletzt fühlen; das ist aber bedeutungslos - was zählt kann nur die Intention sein.

Schwierigkeiten

1. Oft wird behauptet, niemand werde zum Gendern gezwungen, aber das ist falsch: expliziter Genderzwang besteht nicht nur an bestimmten Arbeitsplätzen, in manchen Schulen und Universitäten (sic!); es wird auch jeder, der einen gegenderten Text hört oder liest implizit dazu gezwungen, beim Hören oder Lesen zu Gendern - so wie ja auch jeder, der einen fremdsprachigen Text liest gezwungen wird, die entsprechende Fremdsprache zu nutzen.
2. Uneinheitliche Regeln machen es Schülern unmöglich, richtiges Deutsch zu lernen.
3. Während dem Generischen Maskulinum vorgehalten wird, nicht von jedem richtig verstanden zu werden, wird disruptives Gendern aus Prinzip nicht verstanden, denn es bricht ja die gängigen Regeln: wer die neuen Regeln nicht kennt, kann gar nicht verstehen, dass er auch gemeint ist! Damit eine queere Person sich in einem '*' oder ':' erkennen kann, muss ihr das erklärt werden; da könnte man ihr auch erklären, dass sie im Generischen Maskulinum schon immer mit-gemeint wurde.
4. Während in manchen Fällen durchaus die Absicht bestehen kann, durch Gendern sprachliche Inklusion zu fördern, ist das in vielen Fällen gar nicht möglich: wer von Teenager*Innen, Konsument*Innen, Kund*Innen, Bewohner*Innen, Verbraucher*Innen, Senior*Innen, User*Innen etc. etc. spricht, der hat keine Gerechtigkeit im Sinn, denn Missverständnisse können bei diesen Begriffen überhaupt nicht auftreten. Hier geht es um die Demonstration sprachlicher Gewalt als Ausdruck von Macht, also um Machtmissbrauch. Solches Gendern ohne Sinn aber mit verletzender Intention wird als toxisches Gendern bezeichnet, denn es ist aggressiv und verletzend, und es zielt, wenn man sich selbst zu den 'Guten' zählt, auf die vermeintlich 'schlechten' Menschen. Die Intention toxischen Genderns ist, Gendergegner zu verletzen.

Resümee

Das Generische Maskulinum

  • ist eine Regel
  • ist inklusiv gemeint
  • ist sehr weit verbreitet
  • wird meist richtig verstanden
  • greift niemanden an
  • wird aber auch manchmal falsch verstanden

Höhere Gender-Varianten, insbesondere disruptives Gendern,

  • sind inklusiv gemeint
  • sind in bestimmten Kreisen politisch gewollt
  • sind kompliziert und nicht verbreitet
  • sind nicht einheitlich
  • werden nicht allgemein verstanden
  • leisten nicht mehr als das Generische Maskulinum
  • überbetont das Gender
  • macht manche Texte unlesbar
  • diskriminiert drei Viertel der Bevölkerung und
  • verletzt den Großteil der Bevölkerung

Die Lösung

Wie also Gendern? Die Lösung muss einfach sein, sie muss jeden einschließen, darf niemanden verletzen und sie muss allgemein bekannt sein: das leistet weitgehend das Generische Maskulinum - und dort, wo es das noch nicht leistet, ist das schnell zu ändern.

Wenn jemand das Generische Maskulinum nicht so versteht wie es gemeint ist, nämlich umfassend JEDEN meinend, dann besteht der richtige Weg darin, zu erklären: DU bist gemeint, denn JEDER ist gemeint. Falsch ist es jedoch, etwas Neues zu erfinden, das ohne Erklärung auch nicht verstanden werden kann, weil es die bekannten Regeln bricht und viele alte Texte plötzlich als falsch oder diskriminierend erscheinen lässt - um dann erklären zu müssen, was diese sprachlich falsche Konstruktion bedeuten soll.

Wenn es darum geht niemanden auszuschließen und niemanden zu verletzen, dann lehrt und verbreitet das Generische Maskulinum, so dass sich niemand ausgeschlossen fühlen kann. Wenn eine besondere Hervorhebung des Genders erforderlich ist greift auf Partizip oder Aufzählung zurück, aber seid euch immer im Klaren, was ihr tut. Wenn ihr aber 75% der deutschen Bevölkerung in die ... treten wollt, dann gendert toxisch - wir verstehen dann genau, was gemeint ist.

Eine gezielte Erklärung und Verbreitung des Generischen Maskulinums löst die Probleme.
Toxisches Gendern bringt keinen Vorteil, aber diskriminiert Millionen - lasst es sein!

Download Flyer 'Richtig Gendern'

Stand: 14.11.2024