Was ist ein Trauma?
Das echte Trauma
Als (psychisches) Trauma wird laut Wikipedia "... eine seelische Verletzung bezeichnet, die mit einer starken psychischen Erschütterung einhergeht und durch sehr verschiedene Erlebnisse hervorgerufen werden kann. Der Begriff ist unspezifisch und wird verwendet für das Erleben einer Diskrepanz zwischen einem bedrohlichen bzw. als bedrohlich erlebten Ereignis und den individuellen Möglichkeiten, das Erlebte zu verarbeiten."
Traumata hinterlassen psychische Schäden in den traumatisierten Menschen, die zu unterschiedlichen Symptomen bzw. Reaktionen führen können. Unter anderem können sogenannte Trigger heftige Reaktionen auslösen. Wikipedia: "... sogenannte Trigger können körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern, Angstschweiß, Atemnot, Übelkeit und Ohnmachtsanfälle hervorrufen."
Solche - primären - Traumata sind Traumata, die direkt durch ein erlebtes Ereignis entstanden sind, wie z.B. durch eine Vergewaltigung oder ein schlimmes Kriegserlebnis.
Concept creep.
Im Rahmen eines Vorgangs, der als 'Creep of Concept' oder 'Concept creep' bezeichnet wird, werden seit einiger Zeit Begriffe, die im politischen Kampf als wirkmächtig empfundene werden, missbraucht, um Petitessen dramatisch aufzublasen. Ärgernisse werden über-dramatisiert; Beispielsweise von Iris Berben, die im Rahmen der #MeToo Bewegung eine unerwünschte Einladungen zum Essen mit Vergewaltigungen auf eine Stufe stellte. In diesem Rahmen werden auch die Begriffe 'Trauma' sowie 'Trigger' missbraucht, um beliebigen Ärgernissen mehr Wucht zu geben. Heute fühlen sich darum viele Menschen schnell traumatisiert und getriggert, und das nicht nur, wenn etwas wirklich traumatisierendes geschehen ist. Sie glauben dann, sie würden von Kleinigkeiten getriggert, brechen emotional zusammen und sehen darin den Beweis dafür, dass wirklich etwas schreckliches vorgefallen sein muss - ein Teufelskreis.
Ein selbst erlebter Vorfall zeigt wozu das führen kann: Als ich in einem Gespräch über Rassismus mehrmals das Wort 'Neger' ausgesprochen hatte, verließ eine der teilnehmenden Personen plötzlich schockiert den Raum und einer weiteren wurde schlecht. Sie bekam Atemnot, sprach nur noch ganz schwach und leise, und musste dann auch den Raum verlassen. Beide waren Weiße, es war kein Schwarzer anwesend und niemand wurde als 'Neger' bezeichnet; auch war sicher, dass keiner der Beiden jemals als Neger beschimpft, und dadurch traumatisiert worden war - es handelte sich um ein Gespräch auf einer Meta-Ebene, wir haben das Wort 'Neger' nicht benutzt, wir haben über das Wort 'Neger' gesprochen.
Die beiden Personen verhielten sich, als läge bei ihnen eine Form von Traumatisierung vor und als wären sie wären durch das Wort 'Neger' getriggert worden. So eine eingebildetes - sekundäres - Trauma nenne ich Pawlow-Trauma. Sekundäre Traumata entstehen durch - insbesondere fremdgesteuerte - Zuweisungen willkürlicher Begriffe zu allgemeinen Traumata. Dadurch ist es möglich, jeden beliebigen Begriff zu einem Trauma auslösenden Trigger zu machen - so wie bei Pawlow das Läuten einer Glocke zu Speichelfluss führte.
Das Pawlow-Trauma
Ein Pawlow-Trauma ist also ein eingebildetes, konstruiertes, Pseudo-Trauma, dem kein direktes, eigenes, traumatisierendes Erlebnis zugrunde liegt. Ein Pawlow-Trauma ist Folge einer Konditionierung. Die traumatischen Reaktionen sind in der Regel unbedeutende Befindlichkeitsstörungen im Gegensatz zu schweren Problemen bei echten Traumatisierungen. Pawlow-Traumata sind heute verbreitet als Ursachen für erfundene Trigger-Reaktionen, z.B. wenn Weiße glauben, sie würden durch Worte wie 'Neger' getriggert, wobei es sich manchmal noch um ein 'falsches Pawlow-Trauma' handelt, bei dem gar keine Reaktion getriggert wird sondern bloß eine gewisse Triggerung vorgetäuscht wird. Das ist dann eine Trauma-Inszenierung.
Ein Pawlow-Trauma ist ein soziales Konstrukt, eine bewusst angeeignete, sekundäre Traumatisierung. Pawlow-Traumata sind primär eigentlich unbedeutend, aber sie haben negative Konsequenzen:
- Durch die Entwertung echter Traumata, z.B. wenn Kinder sich durch eingebildetes getriggert-werden wichtig tun, während echte Trauma-Patienten schwer leiden und Hilfe benötigen, kann das Mitgefühl mit echten Trauma-Opfern abgeschwächt werden.
- Menschliches Leid wird so konstruierbar, wodurch echtes Unwohlsein entsteht, und kann von Dritten instrumentalisiert werden.
- Das Prinzip der konstruierten Traumatisierung kann erweitert werden und z.B. zu konstruiertem Rassismus führen.
Beispiele:
Man kann als Außenstehender nicht in die Köpfe Anderer schauen und ist darum bei der Interpretation von Beobachtungen oft auf Vermutungen angewiesen. Aber wenn eine Sawsan Chebli, am Tag nachdem sie ein unerwünschtes Kompliment erhält - auf das sie schnippisch reagiert - auf Facebook postet, sie sei 'schockiert' - zum psychischen Schock heißt es auf WikiPedia: "Häufige Auslöser sind traumatische Erlebnisse ..." - über dieses Kompliment, kann man wohl annehmen, dass sie sich dieses 'schockiert' sein reiflich überlegt hat - es ist also die simple Inszenierung eines Pawlow-Traumas.
Alice Hasters - dunkelhäutig - erzählt in der 3Sat-Doku 'Ich bin kein Kostüm!', dass sie Blackfacing im Karneval als Kind toll fand, aber "heute tut ihr das in der Seele weh". Hasters: "Ich verstehe vollkommen, dass das nicht böse gemeint ist, ... aber es hat halt trotzdem gewaltvolle Auswirkungen. Diese Assoziation, diese Schublade ist dann da, Schwarze Menschen sind Leute die eben diese Baströcke tragen und Keulen mit sich tragen und Felle umgewickelt haben, das sind schwarze Menschen." Sie spricht tatsächlich von 'gewaltvollen Auswirkungen' auf Farbige, wenn diese Weiße sehen, die sich verkleidet und das Gesicht dunkel angemalt haben - was sie dann auch noch 'Blackfacing' nennen, was es natürlich gar nicht ist. Sie demonstriert, wie man lernen kann, sich ohne echten Grund aufzuregen, einfach, weil man das jetzt will - der Einstieg in die Pawlow-Traumatisierung bzw. hier auch den Pawlow-Rassismus. Auch Pawlow-Rassismus ist also ein soziales Konstrukt!
Oder nehmen wir beispielsweise Fußball-Hooligans: die reagieren auf die gegnerischen Farben, Fahnen und Embleme mit Angriffsbereitschaft und fühlen sich herausgefordert. Dabei haben die Farben etc. keinerlei Inhalt oder Aussage, die ganze Reaktion darauf ist antrainiert und ein soziales Konstrukt. Da biss im Jahr 1969 beim Spiel Dortmund gegen Schalke ein Schäferhund einem Schalker Spieler in den Po - und Schalke-Fans, die damals noch gar nicht geboren waren, bekommen heute Schaum vor dem Mund, wenn sie an Dortmund denken. Fragt man sie, woher der Hass kommt: da war mal was mit einem Schäferhund - Folgen eines Pawlow-Traumas.
Stand: 27.11.2014